Kann künstliche Intelligenz menschliche Übersetzer ersetzen? In der kanadischen Tageszeitung „The Globe and Mail“ ist Ende April ein Artikel erschienen, in der eine Übersetzungsagentur mit Chat GPT abrechnet.

Die international tätige Übersetzungsagentur Pronto Translations arbeitet seit über einem Jahr mit Chat GPT und ist dabei zu dem Schluss gekommen, dass KI zwar ein nützliches Werkzeug im Übersetzungsprozess darstellen kann, dass es zum jetzigen Zeitpunkt für gute Übersetzungen jedoch nicht möglich ist, auf den Menschen zu verzichten.

Illustration einer Ratte von hinten

Denn noch sind maschinenübersetzte Texte alles andere als hochwertig. Zu viele Fehler und Eigenheiten mogelt Chat GPT unter die zunächst korrekt klingenden Sätze. Hier die wichtigsten Erkenntnisse der Agentur kurz zusammengefasst:

  1. Chat GPT verwendet falsche Wörter. Da werden bei einer technischen Übersetzung „nuts“ (also Muttern) gerne mal zu „Nüssen“ (im Englischen auch „nuts“).
  2. Chat GPT spekuliert. Wenn sich die KI nicht „sicher“ ist, erfindet sie mitunter Zusammenhänge. (Im Übrigen macht es DeepL umgekehrt: Es lässt schwierige Sätze häufig kommentarlos aus.)
  3. Chat GPT wiederholt sich. Gerne verwendet es bestimmte Wörter immer wieder, auch wenn Synonyme oder besser passende Begriffe zur Verfügung stünden.
  4. Chat GPT übersetzt auch Firmen- und Produktnamen.
  5. Chat GPT verwendet häufig das falsche Sprachregister. Es weiß zum Beispiel nicht, ob es die Leserschaft duzen oder siezen soll.
  6. Chat GPT vergreift sich im Ton. Der Stil klingt manchmal übertrieben, gar wie eine Parodie.
  7. Chat GPT erkennt kulturelle Zusammenhänge und Gepflogenheiten nicht.
  8. Chat GPT verbessert schlecht geschriebene Texte und unklare Textstellen beim Übersetzen nicht. Menschliche Übersetzer tun das.
  9. Chat GPT übersetzt zu wörtlich. „Break a leg“ bedeutet eben nicht „Brich dir ein Bein“, sondern „Viel Glück“ oder in manchen Situationen „Hals- und Beinbruch“.
  10. Chat GPT erkennt Untertöne nicht. Was im Original durch den Tonfall unterschwellig mitklingt, geht in der Übersetzung häufig verloren.
  11. Chat GPT erfindet Inhalte. Mitunter fügt es in der Übersetzung ganze Absätze zum Text hinzu.
  12. Chat GPT lässt Passagen aus.

Es bleibt abzuwarten, ob KI irgendwann in der Lage sein wird, die Nuancen der Sprache zu unterscheiden. Zum jetzigen Zeitpunkt kann sie es nicht.

Wichtig ist auch zu verstehen, dass man mit MTPE (also Post-Editing) fast immer zu einem schlechteren Ergebnis kommen wird. Denn die Inhalte klingen zunächst gut und korrekt. Und daher fallen der Übersetzerin oder dem Lektor viele Fehler und zu wörtliche Übersetzungen auf den ersten Blick nicht immer auf. Nur, wenn man jeden Satz auf Herz und Nieren überprüft, wird am Ende ein wirklich guter Text daraus werden. Aber das braucht Zeit – fast genauso viel wie eine händische Übersetzung.

Mein Fazit ist (berechtigte) Eigenwerbung: Natürlich kann die KI beim Übersetzen hilfreich sein, und auch ich lasse mich manchmal von DeepL inspirieren – aber eben doch nur inspirieren. Wer allerdings eine qualitativ hochwertige Übersetzung haben will, dem sei ein menschlicher Übersetzer ans Herz gelegt.

Mich interessiert zum Schluss noch: Welche Erfahrungen haben Sie mit Chat GPT, Google und Co. gemacht? Haben Sie dem Artikel noch etwas hinzuzufügen? Ich bin gespannt!

Quelle 

Kategorien: Übersetzung

2 Kommentare

Katrin Opatz · 22 Juni, 2024 um 20:50

Hi Anya,

der Hype um KI hat mich bisher auch nicht erfasst. KI hat Potential, ist aber noch weit davon entfernt, Menschen zu ersetzen.

Und um deine Frage nach unseren Erfahrungen zu beantworten: Meine Versuche mit KI-Bildgeneratoren brachten auch keine besonders überzeugenden Ergebnisse, dafür jede Menge interessante Umsetzungen meiner Prompts.

VG Katrin

    Die Lektoratte · 25 Juni, 2024 um 10:23

    Danke, liebe Katrin! Ja, die Bilder sind zum Teil richtig gruselig! 😉

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