ChatGPT ist in aller Munde. Schreiben kann es, recherchieren kann es und übersetzen auch! Und auch DeepL erfreut sich großer Beliebtheit für eine schnelle Übersetzung. Aber wie gut ist so eine Maschinenübersetzung wirklich? Eignet sich die AI, um Romane in eine andere Sprache zu übertragen? Und kann man sich damit das Geld für einen Übersetzer sparen?

DeepL und Co. statt Übersetzerin?

Immer häufiger treten Verlage oder Selbstpublisher mit der Bitte an Übersetzer und Lektorinnen heran, einen maschinenübersetzten Text in eine Form zu bringen, die sich zur Veröffentlichung eignet (so genanntes Post-Editing). Dieses Vorgehen leuchtet ein, denn eine professionelle Übersetzung ist teuer. Außerdem entstehen bei der Übersetzung eines kreativen Textes (also zum Beispiel von Sachbüchern und Romanen) Urheberrechte für die Übersetzerin, und Verlage müssen nach der Veröffentlichung von übersetzten Büchern Tantiemen bezahlen.

Und wie sieht es auf Seiten der Übersetzer aus? Kann es sich eine Übersetzerin nicht leichter machen, indem sie den Text in DeepL hochlädt und ein paar Sekunden später die deutsche/englische/japanische/… Version ausgespuckt bekommt?

Illustration einer Ratte von hinten
Ratten-Fakt

Die Schneidezähne einer Ratte hören nie auf zu wachsen. Beim Fressen treffen die oberen und unteren Schneidezähne aufeinander und nutzen sich so permanent ab.

Der Deutsch Übersetzerfonds (DÜF) hat vor kurzem ein sehr spannendes und aufschlussreiches Seminar zum Thema Maschinenübersetzung für Literaturübersetzungen angeboten, in dem es um genau diese Frage ging. Im Rahmen dieses Seminars wurden auch zwei Übungen bearbeitet, bei denen wir Teilnehmer maschinenübersetzte Texte in Gruppenarbeit posteditieren sollten.

Um das Ergebnis gleich vorwegzunehmen: Eine meiner Kolleginnen meinte nach kurzer Durchsicht des Textes: „Okay, sollen wir einfach alles löschen und von vorne anfangen?“

Ja, wirklich – so schlecht war die Maschinenübersetzung.

Verstehen Sie mich nicht falsch: DeepL und Co. können übersetzen, und das gut. Sie können einen Satz vom Englischen in einwandfreies Deutsch übertragen und kommen dabei sogar auf „Ideen“, die zum Teil eleganter sind als die Version der menschlichen Übersetzerin.

Leider aber ist ein Satz kein Text. Denn in einem Text hängen die Sätze zusammen – sie ergeben ein gemeinsames Bild, eine Stimmung, einen Zusammenhang. Und den können Maschinen (noch) nicht erfassen. Das Ergebnis liest sich dann, als ob es … nun ja … von einer Maschine verfasst worden ist.

 

Außerdem kommt es stark auf die Textsorte an. Für bestimmte Arten von Texten, bei denen sachliche Informationen vermittelt werden, sind AI-Übersetzungen durchaus anwendbar. Hier muss zum Teil sogar recht wenig editiert werden. Anders sieht es aus, wenn Emotionen oder Meinungen vermittelt werden sollen, also zum Beispiel bei journalistischen Texten. Hier muss beim Post-Editing schon deutlich mehr eingegriffen werden. Besonders schwer tun sich Maschinen jedoch mit Literaturübersetzungen. Da Beispiele mehr sagen als tausend Worte, hier einer der Texte aus dem Seminar. Zunächst die maschinelle Übersetzung:

 

Das Licht ist grell, fluoreszierend, schmerzhaft. Ich drücke meine Augen zu, aber ich kann es nicht ausblenden. Es ist wie eine Explosion.
Überall um mich herum sind Stimmen zu hören. Die Aufregung ist nicht zu überhören.
"Er ist aufgewacht..."
"Holt den Arzt..."
"Sie sagten, er würde nie..." (…)
"Doktor!"
Ich versuche zu erkennen, wer da ist, aber das Licht bringt mich um. Ich strample herum und blinzle wild. Alles tut weh, besonders mein Nacken und meine linke Schulter. Verschwommene Bilder kommen in den Fokus. Menschen, stehend und sitzend auf Stühlen.
(Ausschnitt aus „Restart“ von Gordon Korman, übersetzt von DeepL)

Hätte ich diesen Text übersetzt, würde da in etwa Folgendes stehen:

Das Neonlicht ist grell und stechend. Ich presse die Lider zusammen, aber es dringt trotzdem zu meinen Augen vor. Es ist wie eine Explosion.
Überall um mich herum herrscht Stimmengewirr. Die Aufregung ist nicht zu überhören.
„Er ist wach!“
„Rufen Sie einen Arzt!“
„Die haben gesagt, er würde nie mehr …“ (…)
„Doktor!“
Ich versuche zu erkennen, wer da spricht, aber das Licht ist unerträglich. Ich werfe mich hin und her, blinzele heftig. Alles tut weh, vor allem mein Nacken und die linke Schulter. Allmählich kann ich verschwommene Formen ausmachen. Um mich herum stehen Menschen, sitzen auf Stühlen.
Übersetzt von Anya Lothrop

Ja, die Sätze in der ersten Version sind korrekt. Aber kommt dabei die Stimmung auf, die der Autor herüberbringen wollte? Entscheiden Sie selbst, welche Version Sie lieber lesen würden.

Dieses Thema ist spannend. Ich könnte ein ganzes Buch darüber schreiben. Wir machen beim nächsten Mal an diesem Punkt weiter. Ich gebe Ihnen dann auch eine „kurze“ Liste von Fehlern und Tendenzen, die wir im Seminar bei der Maschinenübersetzung gefunden haben. Außerdem werden wir schauen, wie sich so eine AI-Übersetzung auf das Post-Editing auswirkt und natürlich die Frage beantworten, ob man mit einer Maschinenübersetzung Geld sparen kann.

Kategorien: Übersetzung

2 Kommentare

Thomas Sonnberger · 26 Juli, 2023 um 15:27

Wenn es ein Seminar gibt, möchte ich dabei sein. Lg Thomas

    Die Lektoratte · 1 August, 2023 um 10:42

    Der DÜF bietet viele Seminare für Übersetzer an. Da ist bestimmt immer mal wieder etwas zu ähnlichen Themen dabei.

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