Leser möchten in ein Buch eintauchen. Sie möchten erleben, was die Protagonistin erlebt. Möchten spüren, riechen, schmecken, hören, was passiert. Wenn wir beim Schreiben die fünf Sinne einbeziehen, ist das ein wunderbarer Schritt in die richtige Richtung. Aber trotzdem machen es unerfahrene Autoren den Lesern häufig unnötig schwer. Schau dir zum Beispiel einmal diese Szene in einem Straßencafé in Paris an:

Der Kaffee schmeckte köstlich. Genau so hatte Peter sich Paris immer vorgestellt. Er hörte die Vögel in den Bäumen zwitscherten und spürte, wie ihm die Sonnenstrahlen den Rücken wärmten. Am Nebentisch sah er ein Paar, das sich tief in die Augen blickte. Irgendwo in der Nähe musste ein Straßenmusiker stehen, denn Peter hörte Akkordeonklänge. Dann bemerkte er einen Mann, der mit einem Baguette unter dem Arm am Café vorbeiging und er roch den unbeschreiblichen Duft von frischem Gebäck. Alles erschien ihm perfekt.

Gefällt dir das? Nicht so wirklich? Weißt du auch, warum nicht?

Illustration einer Ratte von hinten
Ratten-Fakt

Im Karni Mata Tempel in Indien leben ca. 20.000 Ratten, die von den Tempelbesuchern verehrt und gefüttert werden.

Wahrscheinlich liegt es an den Filterwörtern, die überall eingebaut sind: Wörter wie sehen, hören, bemerken, erspähen, scheinen, beobachten, riechen, schmecken Es gibt noch viele weitere. Gemeinsam haben sie alle, dass sie den Fokus auf die Person verschieben, die die Szene erfährt, statt der Leserin direkt zu zeigen, was passiert. Wir erleben das Geschehen durch die Augen des Protagonisten, anstatt Bilder in unserem Kopf zu sehen. Durch die Verwendung der Filterwörter hat die Autorin Distanz geschaffen, indem sie Peter zwischen uns und die Szene geschoben hat. Und das hindert uns daran, Paris selbst mit all unseren Sinnen zu erleben.

Nehmen wir die Filterwörter aus unserem Absatz doch einfach einmal heraus und lassen die Szene direkt auf uns wirken:

 

Der Kaffee schmeckte köstlich. Genau so hatte Peter sich Paris immer vorgestellt. Die Vögel zwitscherten in den Bäumen und die Sonnenstrahlen wärmten ihm den Rücken. Am Nebentisch blickte sich ein Paar tief in die Augen. Irgendwo in der Nähe spielte ein Straßenmusiker auf seinem Akkordeon bekannte Chansons. Ein Mann mit einem Baguette unter dem Arm ging am Café vorbei und der Duft des frischen Gebäcks war unbeschreiblich. Alles war perfekt.

Diesmal habe ich beim Lesen das Gefühl, als säße ich selbst in dem Straßencafé. Ich kann die Musik hören und die Sonnenstrahlen auf meinem Rücken spüren, ich rieche das leckere Baguette und fast spüre ich eine sanfte Brise, die mir durchs Haar weht. Die Szene ist plötzlich für mich erlebbar geworden.

Sicher kann es manchmal wichtig sein, die Leserinnen daran zu erinnern, dass es Peter ist, der hier etwas hört, fühlt oder sieht, vor allem, wenn du bewusst Distanz schaffen möchtest. Aber in den allermeisten Fällen wird dein Text davon profitieren, wenn du diese Filterwörter streichst.

Dieser Artikel ist Teil meiner Mini-Reihe „Geschichten, die leben“. Weitere Teile:


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