Show, don’t tell ­– wenn Sie Teil 1 dieser Reihe gelesen haben, dann wissen Sie jetzt, wie man das bloße Berichten vermeidet und die Handlung stattdessen lebendig zeigt. Aber müssen wir dieses Show grundsätzlich immer anwenden, oder gibt es auch Situationen, in denen Tell erlaubt oder gar erwünscht ist?

Zuviel des Guten

Vielleicht ist es Ihnen bei den Beispielen vom letzten Mal aufgefallen: Die Show-Versionen waren zum Teil deutlich länger als das Tell. Da wurden aus einem Satz schnell drei bis vier.

Und damit sind wir schon mittendrin in der Liste der Nachtteile, die das Zeigen (trotz aller Vorzüge) hat: Show ist häufig nicht mit einem einzigen Satz oder gar Satzteil machbar. Manchmal benötigen wir dafür mehrere Sätze, kurze bis längere Dialoge oder sogar ganze Szenen.

Wenn ich etwa zeigen will, dass meine Protagonistin nicht mit Geld umgehen kann, dann lasse ich sie heute etwas Unnötiges kaufen, zeige morgen die Briefumschläge mit Mahnungen, die in der Küche liegen, lasse die Freundinnen hier und da Bemerkungen machen usw. Das ist viel effektiver als der Satz „Sie konnte nicht mit Geld umgehen“. Aber wie Sie sich sicher vorstellen können, nimmt es auch deutlich mehr Platz in Ihrem Manuskript ein.

Illustration einer Ratte von hinten
Ratten-Fakt

Ratten können, ähnlich wie ein Chamäleon, gleichzeitig nach vorne und nach oben schauen. Sie haben dann zwei verschiedene Bilder ihrer Umgebung im Kopf.

Wenn ich sehr viel zeige, verlangsame ich damit außerdem das Erzähltempo. Denn wenn mein Protagonist eine ganze Seite braucht, um zur Arbeit zu fahren, geht es mit der eigentlichen Handlung in dieser Zeit nicht voran.

Noch wichtiger ist allerdings, dass Ihre Geschichte den Fokus verlieren kann, wenn Sie zu viel zeigen. Wenn wirklich jede kleine Handlung (wie die besagte Fahrt zur Arbeit) ausführlich gezeigt wird, wissen die Leserinnen nicht, welche Teile der Geschichte wichtig sind und welche nur Nebeninformationen. Und sicherlich werden sie sich auch sehr schnell langweilen, wenn wir ihnen bis ins Detail zeigen, wie sich jemand ein Honigbrot schmiert.

Ein Balanceakt

Ihre Geschichte sollte also immer beides besitzen: Show-Anteile sowie Passagen, in denen das Tell überwiegt. Denn sonst ist Ihr Buch ruck, zuck so dick wie Tolstois Krieg und Frieden und sie ermüden die Leser mit unnötigen Details. Der Trick ist es, die optimale Balance zwischen Zeigen und Berichten zu finden, die Ihre Leserinnen genügend fesselt und involviert, um die Geschichte spannend zu machen, sie aber gleichzeitig nicht mit Informationen zumüllt.

Wann Tell gut ist

Berichten und zusammenfassen bietet sich vor allem an …

  • wenn Sie Hintergrundinformationen einstreuen oder Dinge mitteilen wollen, die die Leserin zwar wissen muss, die aber den Plot nicht vorantreiben.
  • wenn die Protagonisten sich von einem Ort zu einem anderen bewegen (der ereignislose Weg zur Arbeit).
  • wenn die Zeit zwischen zwei Szenen ohne große Geschehnisse vergeht. (Beachten Sie hier, dass Sie völlig ereignislose Phasen am besten komplett überspringen.)
  • bei alltäglichen Handlungen oder Tätigkeiten, die sich wiederholen (er spielt z. B. hundertmal Lotto, bevor er endlich den Sechser trifft).
  • um wichtige und lebendig gezeigte Szenen miteinander zu verknüpfen.
  • um das Tempo Ihrer Geschichte anzuziehen.

Wann Show besser ist

Hingegen sollten sie Tell tunlichst vermeiden und stattdessen zeigen, was passiert …

  • wenn Sie Schauplätze oder Personen vorstellen.
  • bei allen Szenen und Informationen, die die Handlung vorantreiben.
  • bei wichtigen Ereignissen.
  • wenn es spannend sein und der Leser die Handlung hautnah erleben soll.

Wie sieht es in Ihren Geschichten aus? Schaffen Sie den Balanceakt oder haben Sie damit noch Schwierigkeiten? Ich freue mich über Ihre Erfahrungsberichte.

Kategorien: Kreatives Schreiben

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